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7,5 Fragen an Alfredo Häberli

Was wir immer schon von Produktedesigner Alfredo Häberli wissen wollten ... uns aber bislang nicht zu fragen getrauten

Die fünfte Person, die wir mit unserer Reihe 7,5 Fragen an ... herausfordern, ist Alfredo Häberli. In seinem 1991 gegründeten Zürcher Studio Alfredo Häberli Design Development entwickelt er Designs für Betten, Lampen, Möbel, Geschirr und vieles mehr, er entwirft aber auch Gestaltungspläne für Innenräume und Läden. Zum illustren Kreis seiner Auftraggeber gehören unter anderem Firmen wie BMW, Camper, Moroso, Vitra oder Zanotta.

Bei Scheidegger & Spiess hat Alfredo Häberli unlängst das zweibändige Werk Verbal gekritzelt. 30 Jahre, Fragen und Antworten veröffentlicht. Im ersten Buch berichtet der renommierte Gestalter über Persönlichkeiten, Orte oder Objekte, die sein kreatives Schaffen beeinflusst und geprägt haben.

Im zweiten Band wiederum hat er 30 Persönlichkeiten aus seinem Umfeld gebeten, ihm eine Frage zu stellen – mit der Absicht, diese aufrichtig und unterhaltsam zu beantworten. Magazin-Kolumnist und Buchautor Max Küng zum Beispiel wollte wissen, welche drei Autos Häberli auf eine einsame Insel mitnehmen würde. Der international gefeierte Kunstkurator Hans Ulrich Obrist fragte Häberli nach seinen unrealisierten Projekten, die britische Designkritikerin Alice Rawsthorn wiederum stellte gar die Frage aller Fragen, nämlich: «Was ist Design? Und was sollte es sein?»

Wie alle an dieser Serie beteiligten Personen hat Alfredo Häberli einen Fragebogen erhalten, der eigens für ihn kurartiert wurde – und der sich direkt auf ihn oder in Anspielungen auf das erwähnte Buch oder seine Arbeit bezieht.

1. Für welches Produkt würden Sie niemals ein Re-Design wagen, weil das Original schlicht perfekt ist?
Als junger Designer hatte ich diesen Respekt oder sogar die Ehrfurcht noch. Doch im Verlauf meiner drei Dekaden Erfahrung kann ich mich gelassener an die sogenannten «Ikonen des Designs» wagen. Es gibt (hoffentlich) immer etwas zu verbessern. So war mein Uhren-Re-Design der «Rado Diastar» (ein 60-jähriger, ikonischer Entwurf) eine diffizile und doch sehr erfolgreiche Re-Interpretation. Genauso ist mein letztjähriges Art-Car-Projekt mit einem Porsche 356 SC ein gelungenes Beispiel dafür, mit Würde und Hochachtung zum Original-Entwurf eine neue Betrachtung zu evozieren. Vor der Aufgabe eines Re-Designs habe ich keine Angst mehr – doch ich würde sie nicht um jeden Preis annehmen.

2. Welches ist die schlechteste Frage, die Sie jemals gestellt bekommen haben? (und sofern Sie Ihre Antwort darauf auch noch wissen – nur zu!)
Das Podest für die schlechteste Frage, die mir jemals gestellt wurde, ist hart umkämpft von journalistischen Fragen, die so schlecht vorbereitet sind, dass mir glatt die Worte im Hals stecken bleiben. Natürlich gibt es dann noch die Evergreens, die seit 30 Jahren in jedem Interview auftauchen und mittlerweile so abgenutzt sind, dass sie mich mehr gähnen als antworten lassen.

© Joan Minder

3. Gottfried Keller wurde in Zürich mit einem mächtigen Kopf beim Hafen Enge verewigt, Pipilotti Rist durfte sich mit dem Werk «Tastende Lichter» vor dem Kunsthaus-Neubau ein künstlerisches Denkmal setzen. Falls es je dazu käme – wie würde Alfredo Häberli sein Schaffen in Zürich am liebsten gewürdigt sehen?
Falls ich je die Ehre hatte, in Zürich mein Schaffen verewigt zu sehen, dann bitte nicht in Stein gemeisselt. Als Industriedesigner liegt mir mehr daran, der Stadt, die ich liebe, etwas zurückzugeben – sei es durch das Design neuer Parkbänke, der Gestaltung eines Brunnenplatzes oder einem aussergewöhnlichen Kinderspielplatz, wo kleine Kinder und ältere Leute zusammenkommen können. Die Freude der älteren Menschen beim Zuschauen und der so aufkommende Gesprächsstoff ist von wichtiger Bedeutung. Ein solcher Platz an einem zentralen Ort wäre eine sehr schöne Ehre. Tatsächlich war ich schon einmal kurz davor, als ich am Wettbewerb für eine neue Weihnachtsbeleuchtung in der Bahnhofstrasse teilnahm. Was Statuen angeht, so verzichte ich gerne – ich auf einem Pferd sitzend ist kein Anblick für den öffentlichen Raum, auch wenn ich im Herzen ein Swiss-Gaucho sein mag.

4. Welche Frage hätten Sie sich (rein theoretisch) im Buch selbst gestellt?
Haben wir zu viel Design?

© Georg Jensen

Serie 7,5 Fragen an ...

Die Serie 7,5 Fragen an ... steht stets in Zusammenhang mit einer Neuerscheinung im Verlag Scheidegger & Spiess. Dabei wird einer Person, die direkt oder indirekt mit dem Buch oder dessen Thema zu tun hat, ein Fragenbogen zugestellt, der mit eher ungewöhnlichen Fragen bestückt ist. Diesmal ist es Alfredo Häberli. Der 1964 in Buenos Aires geborene Schweizer Industriedesigner bringt eine einzigartige Kombination aus Schweizer Präzision und lateinamerikanischer Energie in seine Arbeit ein. Sein Zürcher Studio, «Alfredo Häberli Design Development», steht für Designs, die klar und innovativ sind, dabei stets eine Seele und eine Prise Humor mitbringen. Häberli jagt nicht den Trends nach, sondern prägt sie, indem er für weltbekannte Marken wie Rado, Kvadrat und Andreu World eigene, visionäre Lösungen entwickelt.

5. Ein weltbekannter Produktedesigner, der über sein Produktedesign (und dessen Einflüsse und Inspirationen) spricht – und im ganzen Buch sieht man kein einziges Designobjekt. Ist das nicht wie Weihnachten ohne Geschenke?
Genau das war meine bewusste Absicht! Es sollte einmal nicht um die Designs und Produkte gehen, die aus meiner Feder stammen, sondern um die Menschen, die mein Designerherz in den Anfangsjahren berührt und beeinflusst haben. Diese Begegnungen waren mein wahres Glück, und genau dieses Glück – und den Mut, ihm zu begegnen – wollte ich mitteilen. Seit Jahren wurde mir nahegelegt, meine Erlebnisse und Erfahrungen zu teilen. Die Chance ergriff ich, als die Pandemie mir unerwartet Zeit schenkte und ich begann, meine Gedanken verbal zu kritzeln. Und wie durch ein Weihnachtswunder war das Buch genau zur rechten Zeit fertig – was für ein prächtiges Geschenk!

6. Wie lautet die wichtigste Frage, die Sie jemals jemanden gestellt haben? (und falls Sie sich auch noch an die darauf erhaltene Antwort erinnern – nur zu!)
Die allerwichtigste Frage in meinem Leben ging an Stefanie: «Möchtest du meine Freundin werden?» Ihre Antwort war ein Ja, das uns nun schon seit 36 Jahren als glückliches (Ehe-)Paar zusammenhält.

7. Welches Ereignis oder welcher Gegenstand war eigentlich der Auslöser dafür, dass Sie sich damals für das Industriedesign-Studium entschieden haben?
Es gab zwei prägende Momente bzw. Objekte, die mich auf den Weg zum Industriedesign-Studium gebracht haben. Zuerst waren da die Wohnaccessoires von Achille Castiglioni, die in Mailand mein Interesse weckten. Mir wurde klar, dass hinter diesen Objekten nicht die anonyme Industrie, sondern kreative Köpfe, Architekten oder Designer standen. Das war in den frühen 1980er Jahren. Gleichzeitig stiess ich auf die Auto-Entwürfe von Giorgetto Giugiaro – darunter der Fiat Panda und der VW Golf. Besonders faszinierte mich, dass er bereits mit 26 Jahren den Iso Grifo entwarf, mein absolutes Lieblings-Spielauto, das «Matchbox No. 14». Von diesem Moment an gab es für mich keinen Plan B mehr.

Halbe Frage: Sollte das New Yorker Museum of Modern Art MoMA mein Buch nicht …
… im Museumshop führen? Nun, dann werde ich Paola Antonelli, die Kuratorin des MoMA und eine langjährige Freundin von mir, direkt darauf ansprechen. Doch ganz unter uns: So beeindruckend die Sammlung des MoMA auch sein mag, sie wird meiner Meinung nach etwas überbewertet. Im Vergleich dazu ist die Sammlung des Museums für Gestaltung Zürich vielleicht weniger bekannt, aber sie birgt einen Schatz an Spannung und Inspiration, der seinesgleichen sucht.

Alfredo Häberli Verbal gekritzelt. 30 Jahre, Fragen, Antworten