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7,5 Fragen an Doris Leuthard

Was wir immer schon von Altbundesrätin Doris Leuthard wissen wollten ... uns aber bislang nicht zu fragen wagten

Die vierte Person, der wir in unserer Reihe 7,5 Fragen an ...  einen grossen Auftritt in unserem Magazin gewähren, heisst Doris Leuthard. Die vormalige CVP-Politikerin aus dem Kanton Aargau, die von 2006 bis 2018 in der Landesregierung sass und ab 2010 acht Jahre lang dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) vorstand, hat im Buch Land der Pässe das Vorwort beigesteuert.

Wie alle an dieser Serie beteiligten Personen hat die populäre Altbundesrätin einen Fragebogen erhalten, der eigens für sie kurartiert wurde – und der sich direkt oder in Anspielungen auf ihre Mitarbeit am Buch, aber auch auf ihre Laufbahn bezieht.

1.  Ihre schönste Passfahrt, wörtlich, also geografisch gemeint?

Der Nufenenpass!

2. In Ihrem Vorwort zum Buch Land der Pässe betonen Sie die Wichtigkeit der Tunnelverbindungen für die Bewältigung des Güter- und Personenverkehrs. In den letzten Monaten ist es im Gotthard sowohl auf der Schiene als auch auf der Strasse zu gravierenden Problemen gekommen, die den Verkehrsfluss erheblich beeinflusst haben – oder dies noch immer tun. Dazu eine Doppelfrage:

a) Was lösen solche Nachrichten bei Doris Leuthard der heutigen Privatperson aus?

Ich war schon ziemlich schockiert, dass so ein Schaden im Bahntunnel passieren kann, auf solcher Länge und ohne dass der Lokomotivführer es realisierte. Die Sicherheit in Tunnels hat oberste Priorität. Bei Güterzügen wissen wir leider, dass viele nicht dem heutigen Standard entsprechen und oft am Unterhalt gespart wird. Deswegen kontrolliert die Schweiz Güterzüge, obwohl sie das nicht müsste. Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle besser!

b) Wird bei solchen Nachrichten für Momente auch wieder Doris Leuthard die frühere UVEK-Vorsteherin «aktiviert», die sich umgehend weitsichtige Gedanken zu diesen kurzfristigen Problemen macht?

Natürlich bin ich bei solchen Ereignissen sofort im Dossier und überlege, versuche mich zu erinnern. Gab es Fehler bei der Planung im Tunnel oder waren es Fehler beim Zug? Soweit ich das heute beurteilen kann, ist es Letzteres. Womöglich muss man neuere, bessere Technologie einsetzen, Sensoren etc. und allfällige Mängel von Zügen früher entdecken. Zudem sollten Züge dem Lokomotivführer bessere Tools zur Verfügung stellen, Warnsysteme die ihn auf Mängel, Probleme während der Fahrt aufmerksam machen. Man muss von der Flugzeugindustrie lernen und kann wohl auch bei heutigen Autos lernen, die ja zig Assistenzsysteme für die Sicherheit haben. Das macht zwar einen Zug schwerer, aber erhöht die Sicherheit. Unterhaltsarbeiten fallen damit an, wenn die Anzeigen es erfordern und nicht einfach nach einem bestimmten Rhythmus. Das sollte sich also kostenmässig eher lohnen.

Was ich nicht verstehe, ist die Aussage, dass rechtlich der Bund haftet für den Schaden. Warum nicht der Verursacher?

© Coop

Serie 7,5 Fragen an ...

Die Serie 7,5 Fragen an ... steht stets in Zusammenhang mit einer Neuerscheinung im Verlag Scheidegger & Spiess. Dabei wird einer Person, die direkt oder indirekt mit dem Buch oder dessen Thema zu tun hat, ein Fragebogen zugestellt, der mit eher ungewöhnlichen Fragen bestückt ist. Diesmal ist diese Person Doris Leuthard. Die Juristin und Rechtsanwältin wurde 1963 im aargauischen Merenschwand geboren. Ihre politische Laufbahn begann 1993 mit der Wahl zur Schulrätin in Muri. Vier Jahre später schaffte sie den Einzug in den Grossen Rat des Kantons Aargau, 1999 wurde sie mit einem Spitzenresultat in den Nationalrat gewählt. 2004 übernahm Leuthard das Präsidium der CVP (Heute: Die Mitte), zwei Jahre später wurde sie als Nachfolgerin von Joseph Deiss in den Bundesrat gewählt. Von 2006 bis 2010 leitete sie das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD), 2010 wurde sie Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK). In den Jahren 2010 und 2017 hatte Doris Leuthard das Amt der Bundespräsidentin inne, im September 2018 gab sie per 31. Dezember desselben Jahres ihren Rücktritt aus dem Bundesrat bekannt.  

3. Sie erwähnen im Vorwort des Buchs auch das «Einkehren» bei der sommerlichen Passfahrt. Welches ist ihr liebstes Passhöhe-Restaurant und was bestellen Sie dort jeweils?

Da ich regelmässig ins Tessin fahre, sind die dortigen Passhöhen – San Gottardo und San Bernardino – mit den jeweiligen Restaurants bei mir der Favorit. Frische Heidelbeeren sind der Hit!

4. Bleiben wir beim Thema, wechseln aber zu den Fotografien im Buch, die es schaffen, nicht nur die wuchtige Wichtigkeit, sondern auch die anachronistische Verträumtheit der Schweizer Alpenpässe abzubilden. Welches Bild ist für Sie das eindrücklichste?

Ich mag das Bild auf Seite 147 sehr: Blick vom Furkapass auf den Rhonegletscher. Verträumtheit und Wildheit gekoppelt mit dem Gletscherschwund, der Verletzlichkeit der Berge und unseres Klimas. Eindrücklich auch, weil es sich heute ja bereits wieder anders präsentiert. Daher hat es auch einen historischen Wert.

Blick vom Furkapass auf den Rhonegletscher
© Richard von Tscharner

5. Ihre schlimmste Talfahrt – bildlich, also politisch gesprochen?

Ich habe zwei Abstimmungen verloren: Die Erhöhung der Vignette und gegen die Zweitwohnungsinitiative. Letztere Niederlage hat geschmerzt, auch, weil die Folgen bis heute spürbar sind und sich mein Einsatz nicht gelohnt hat. Bei der Vignette hatte ich in der Arena einen Blackout und wusste nicht mehr, dass die Lastwagen ab 3,5 Tonnen die Vignette nicht lösen müssen, da in der LSVA eingerechnet! Oje, das war mir natürlich peinlich danach.

6. Passepartout, angepasst, unpässlich: Der Pass steckt auch in Alltagswörtern mit drin. Gibt es eines, egal ob Adjektiv oder Nomen, das Sie besonders mögen?

Der Passepartout, weil ich kürzlich wieder begonnen habe zu malen und daher regelmässig einen Passepartout benötige. Einrahmungen – auch ein Pass rahmt ja ein und lässt unsern Blick fokussieren!

7. Sie hatten das Privileg, am 1. Juni 2016 der Eröffnungsfeier des Gotthard-Basistunnel beizuwohnen, wo mit Angela Merkel, François Hollande und Matteo Renzi auch die damaligen Staatsoberhäupter unserer Nachbarländer anwesend waren. Wenn Sie heute daran zurückdenken – gab es eine Reaktion einer dieser Personen, die Sie speziell freute oder überraschte?

Also Herr Renzi hatte ja nicht so viel Zeit, dafür Frau Merkel. Es war für uns anerkennend und schön, aus ihrem Munde zu hören, dass die Deutschen leider ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben und bei den Zugverbindungen Richtung Norden und damit der Nutzung der NEAT im Verzug sind. Meine Mitarbeiter beim BAV wuchsen einen Kopf grösser!

Halbe Frage: Wenn ich eines Tages selbst ein Buch schreiben würde, ginge es dabei entweder um die verborgenen Schönheiten meines Heimatkantons Aargau oder aber …

… um Anekdoten und Begegnungen im Laufe meiner Bundesratszeit und deren Einbettung in die politische Lage!

Fragebogen und Transkription: Thomas Wyss

Land der Pässe – eine Zeitreise in die heutige Schweiz