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7,5 Fragen an Tina Schmid

Was wir immer schon von Buchmacherin und Kunstlehrerin Tina Schmid wissen wollten ... uns aber bislang nicht zu fragen getrauten

Die siebte Person, die wir mit unserer Reihe 7,5 Fragen an ... herausfordern, ist Tina Schmid. Die 35-Jährige Zürcherin hat Kunstgeschichte und Kunstvermittlung studiert – und 2018, «nach einem in jeglicher Hinsicht sehr kalten Winter», wie sie in einem Tagi-Interview gestand, in Eigenregie die Idee zum «Züribadibuch» entwickelt. Aus der Idee wurde 2019 ein tolles, blaues Buch voller Zürcher Badi-Geschichte(n) und reich an Fotos und Zeichnungen, welche die Autorin mehrheitlich selbst realisierte. Genauso wie die Finanzierung, die Tina Schmid mittels Crowdfunding sicherstellte. Einer der vielen Fans des Werks (und seiner Erschafferin) ist auch Thomas Kramer, Verleger von Scheidegger & Spiess. Und so haben die beiden einen veritablen Coup ausgeheckt.

Teil 1: Das vergriffene Züribadibuch wurde im Sommer 2024 bei Scheidegger & Spiess neu aufgelegt.

Teil 2: Analog zu den Badis hatte sich die hauptberuflich als Kunstlehrerin tätige Tina Schmid als neues Projekt der historischen Aufarbeitung der hiesigen Grossleinwandlandschaft angenommen. Das Resultat der akribischen, intensiven Arbeit ist das ähnlich strukturierte und nicht minder grossartige Zürikinobuch

Keine Frage: Eine solche Leistung schreit geradezu nach einer Würdigung durch unsere nicht zu unterschätzenden (es gibt Stimmen, die sprechen bereits von «berühmt-berüchtigt», aber das wäre vermessen) «7,5 Fragen an ...», die schon manch bekannte Persönlichkeit ins Schwitzen brachten ... und das nicht bloss im Hochsommer!

Wie alle an dieser Serie beteiligten Personen hat auch Tina Schmid einen Fragebogen erhalten, der eigens für sie kuratiert wurde – und der sich direkt oder in Anspielungen auf die erwähnten Bücher oder auf ihr allgemeines Tun und Lassen beziehen.

1. Was ist die erstaunlichste Gemeinsamkeit und was der markanteste Unterschied von Badis und Kinos?
Die erstaunlichste Gemeinsamkeit ist die Anzahl dieser öffentlichen Orte für eine kleine Stadt wie Zürich. Das macht Zürich ja so grossartig, dieses vielseitige Angebot von Schwimmmöglichkeiten in See, Fluss und Becken, sowie ein Filmangebot, dass sich mit Grossstädten vergleichen lässt. Der markanteste Unterschied liegt in der Erhaltung dieser Orte. Die Badis sind fast alle noch da, und wenn sie verschwinden, dann durch höhere Gewalt (wie etwa der Föhnsturm, der die Männerbadi am Bürkliplatz 1964 versenkt hatte), oder weil es noch kein Frauenstimmrecht gab (Abbruch Frauenbadi Mühlequai 1951). Auch für das Kino Apollo gingen die Zürcher:innen auf die Strasse, jedoch ohne Erfolg. Die meisten Liegenschaften mit Kinos drin gehören Banken, die auf Profit aus sind und Kinos kurzerhand schliessen, wenn sie dort Luxusgeschäfte oder -wohnungen einbauen können ... oder mehr Büros brauchen.


2. Ihr liebster Film, in dem es ums Baden geht? (selbstverständlich mit begeisternder Begründung!)
Da kommen mir nur düstere Beispiele in den Sinn, wobei diese zu meinen Lieblingsfilmen zählen: «Erin Brockovich» (2000) mit dieser einen Szene, in der Erin die Mutter über die krebserregende Wasserverschmutzung informiert und im Hintergrund plantschen ihre Kinder fröhlich im Pool. Oder natürlich «La Piscine» (1969) mit Romy Schneider und Alain Delon. Und die Bootszene im «The Talented Mr. Ripley», ob mit Alain Delon, Matt Damon oder Andrew Scott. 


3. Und Ihre bevorzugte Badi – es muss keine in Zürich sein –, um einen Film zu schauen? (Natürlich auch hier wieder mit euphorischer Argumentation!)
Da muss natürlich das Openairkino Filmfluss in der Unterer Letten Badi genannt werden. Wo sonst kannst du in einer Badi von 1909 über das Wasser hinweg einen Film schauen mit einer Kulisse wie dieser? Urban, historisch, kulturell, was willst du mehr?
 

Frauenbad Mühlequai 1909
© Andrea Zahler

Serie 7,5 Fragen an ...

Die Serie 7,5 Fragen an ... steht stets in Zusammenhang mit einer Neuerscheinung im Verlag Scheidegger & Spiess. Dabei wird einer Person, die direkt oder indirekt mit dem Buch oder dessen Thema zu tun hat, ein Fragenbogen zugestellt, der mit eher ungewöhnlichen Fragen bestückt ist.

Diesmal ist es Tina Schmid. 1988 in Zürich geboren, hat sie in Bern, Wien und Zürich Kunstvermittlung und Kunstgeschichte studiert, in acht verschiedenen Bars und Cafés in Zürich gearbeitet, als freischaffende Illustratorin ein sechs Meter hohes Mural in einem Zürcher Skateshop sowie eine Karte der Langstrasse für das Cafe Flavour gestaltet. Und einmal hat sie auch versucht, an einem Ort zu wohnen, wo Fasnacht gefeiert wird – sie ist dann ziemlich sofort nach Zürich zurückgekehrt.


Mehr Infos: www.schmidlerin.ch. 
Taufe Zürikinobuch: Samstag, 2. November, Kino Le Paris 

 

 

4. Sie haben mal erzählt, dass Sie als 13-Jährige das erste Mal im Letzi vom 10-Meter-Brett gesprungen seien. Was war, analog zu diesem Sprung, das erste verrückte Kinoerlebnis?
Ins Kino durften wir das erste Mal mit acht Jahren, das war ein lang ersehntes, spezielles Erlebnis. Ständig hiess es «Du bist noch nicht acht, du darfst noch nicht ins Kino!» Dann endlich gings ins Cinemax (heute Abaton), es war ein Trickfilm und mein Vater und ich waren die einzigen im Kinosaal. Ich war begeistert, als in der Pause eine laute Stimme aus dem Off ertönte: Der Filmvorführer rief durch die Lucke neben dem Projektor in den Saal und fragte uns, ob wir eine Pause wollten oder ob er den Film weiterlaufen lassen soll. Wir wollten keine Pause.


5. Im Anhang des Badibuchs beschreiben Sie die Frauenterrasse beim Oberen Letten als ihre Lieblingsbadi. Welches ist das Kino ihres Vertrauens?
Das Riffraff. Ich muss da nur den Titel oder den Anfang der Beschreibung lesen und weiss, das wird ein guter Film. «Raving Iran?» (2016) Ticket gekauft. Die Filmauswahl entspricht genau meinem Geschmack und es kommt vor, dass ich alles, was im Riffraff läuft, gesehen habe und erst danach das Kinoprogramm anderer Kinos anschaue. Ich gehe gern allein ins Kino oder mit Menschen, die einen ähnlichen Geschmack haben. Bei einem Date haben wir uns «Druk» (2020) angeschaut und danach eine Stunde lang darüber gestritten. Es gab kein weiteres Date.

Capitol Kinosaal 1930
© Baugeschischtliches Archiv Zürich BAZ, Fotografie: Gottfried Gloor

6. Was waren die berührendsten und was die verstörendsten Erlebnisse bei der Entstehung des a) Badi- und b) Kinobuchs?
a) Der Moment, wo du realisierst, wie lange nur Männer in Zürich frei in den See hinausschwimmen konnten – und wie selbstverständlich das heute für mich ist. Die Badi als Treffpunkt pensionierter Menschen, die aufeinander Acht geben, hat mich berührt. Verstörend waren die Bilder und Geschichten vom Oberen Letten anfangs der 90er Jahre mit der Drogenszene.

b) Berührt hat mich die Freude aller Kinomenschen, als ich von der Idee des Buches erzählt habe und vor allem die Unterstützung von Pia aus dem Le Paris. Verstörend war es, zu erfahren, wie viele Gebäude in Zürich den Banken gehören, die so letztlich entscheiden können, ob ein Quartierkino bleiben und weiterexistieren kann – oder nicht. Der schönste Moment für mich war der, als ich meinem 80-jährigen Nachbarn das «Zürikinobuch» schenkte und er mit Tage danach mit Tränen in den Augen von plötzlich wieder erwachten Erinnerungen erzählte, wie er als Bub mit seinen Freunden in den 1950er-Jahren das Kino Urban besucht hatte.

7. Zürcher Badis werden wohl noch so lange existieren, bis der See und die Limmat nicht mehr genügend Wasser haben. Für Zürcher Kinos scheint es indes immer schwieriger, ein Publikum zu finden, auch wegen der vielen Streamingdienste. Wie sehen Sie als Expertin die Zukunft dieser doch eigentlich unentbehrlichen Kulturinseln? 
In den Archiven habe ich hunderte Zeitungsartikel gewälzt. Die Mehrheit dieser Beiträge stellt seit bald 60 Jahren genau diese Frage immer und immer wieder. Deshalb ergibt es Sinn, dass diese Frage jetzt auch in diesem Fragebogen auftaucht. Meine Antwort darauf: Ich denke, wir sollten endlich auf Jacqueline Badran hören! Die Stadt muss die Kino-Immobilien kaufen – und/oder Regeln für die Immobilienbesitzer:innen aufstellen. Immobilien in Zürich sollten kein Profitinvestment, sondern bezahlbarer Wohn- und Kulturraum sein. So können Kinos bestehen bleiben. Ansonsten, das zeigt die Geschichte, kann ein Kino mit einem Luxusgeschäft nicht mithalten, so verschwinden sie immer mehr. Dieses Jahr haben die Kinos bei der Stadt um Unterstützung angefragt. Wenn die Stadt zahlt – was ich aus Liebe zum Film sehr hoffe – geht dieses Geld durch die Mieten an die Banken. Genau, an die Banken, die wir regelmässig vor einem Crash retten!

Halbe Frage: Badis und Kinos wären abgehandelt, als nächstes ... 
... sind die Museen dran. In meinen Büchern untersuche ich ja öffentliche Orte in Zürich, die für jung und alt, arm und reich, von der Stadt und engagierten Zürcher:innen geschaffen und erhalten werden. Es könnte also noch viele Bücher dieser Art geben.

Fragebogen und Redaktion: Thomas Wyss
 

Eindrücke aus dem Zürikinobuch

Zürikino und Züribadibuch